Eine Reise mit Mika Häkkinen ins Herz der finnischen Seele.

(Kunde: Mercedes-Benz. Agentur: Yellowpeople.)

 

Mit einem eiskalten Lächeln hat mich der arktische Winter willkommen geheißen, fast sind mir bei minus 23 Grad die Begrüßungsworte erfroren. Doch nur wenig später macht das schwarzblaue Morgenlicht den ersten wärmenden Sonnenstrahlen Platz, und die Wald- und Seenlandschaft tritt als strahlende Winterschönheit aus der Nacht heraus.

Das finnische Lappland ist ein Land der langen Schatten, hoch wird die Sonne heute nicht steigen, vielleicht gerade mal über die eisverkrusteten Tannen des Levi-Fjells, wo sie oben am Berghang das versteckte Ferienhaus der Häkkinens entdecken wird. Mika Häkkinen, zweifacher Formel 1 Weltmeister, ehemaliger DTM-Pilot bei AMG Mercedes und so etwas wie ein finnischer Nationalheld, erwartet mich bereits an der Haustür. Sein Lächeln zeigt sich warmherzig und offen, aber es hat auch diesen leicht prüfenden, freundlich-ironischen Zug, hinter dem man irgendein tiefes, geheimnisvolles Wissen vermutet. Genau deshalb bin ich hier, denn Mika hat mir versprochen, mich für ein paar kurze Tage und lange Nächte auf eine sehr spezielle, sehr private Expedition mitzunehmen: eine Entdeckungsreise in das Mysterium seiner finnischen Seele.

Mikas Mercedes-Benz GL macht den Eindruck, als scheine er sich jeden Moment mit der Tatkraft seines drehmomentstarken Turbodiesels ins Abenteuer stürzen zu wollen. Permanent allradgetrieben, beruhigend geländegängig und gleichzeitig äußerst komfortabel ausgestattet, steht das perfekte Expeditionsfahrzeug vor mir. Ich will los, am liebsten sofort, aber oben am riesigen Esstisch erwarten mich Mikas Frau, Kinder und Freunde mit einem original finnischen Buffet. Sie alle verbringen in ihrem heiß geliebten Lappland ein paar entspannende Winterferientage, und sie freuen sich, mich daran teilhaben zu lassen.


Wer immer vor ein, zwei Generationen so vorausschauend war, einen Stapel massiver Weißtannen zu fällen und sie dann ein paar Jahrzehnte lang zum Trocknen zu legen, wäre stolz zu sehen, was aus ihnen geworden ist. Durchgehärtet und blank poliert sind sie zurückgekehrt in die arktischen Wälder, fügen sich mit grob behauenem, moosgrünem Granit zu einem modern interpretierten, doch unverwechselbar finnischen Ferienhaus. Das luxuriöse Drinnen verbindet sich harmonisch mit dem urwüchsigen Draußen, kein Wunder, dass ich mich vor dem flackernden Kamin des kathedralengroßen Wohnzimmers wie in der grenzenlosen Wildnis Lapplands fühle: Seltsam klein und doch beschützt.


Mika reicht mir einen Teller, er hat, wie er sagt, eine Kleinigkeit vorbereiten lassen. Wildlachsseiten, roh, gedünstet, geräuchert, gebeizt und mit Kräutern mariniert, zu Pasteten verarbeitet oder auf offenem Feuer gegrillt, süß und sauer eingelegte Heringe, Forellenfilets und Flusskrebse, Kaviarhäppchen, karelische Piroggen, geräucherter Rentierschinken, Rentierpastete und Rentierfleisch-Klößchen, gebackener Süßmilchkäse mit Moltebeerensoße - an der Last der heimischen Delikatessen hat der gemeinsame Esstisch schwer zu tragen. Ich greife zu, noch mal und noch mal, probiere immer neue Leckereien, sie alle schmecken nach glasklaren Seen, sattgrünen Wäldern und der nicht enden wollenden Sonne der Mittsommernacht. Wenn die Liebe zu Finnland durch den Magen geht, dann bin ich gerade dabei, mich rettungslos zu verlieben.


Ein Finne, so hat Berthold Brecht einmal in Anspielung auf die regionalen Sprachunterschiede in Finnland gesagt, schweigt in zwei Sprachen. Mika Häkkinen schweigt außerdem in fließendem Englisch. Schon bald haben wir die Grenze zur Einsamkeit überquert, es gibt keine Orte mehr, keine Straßennamen, keine Hinweisschilder, nur die Gefahr, im endlosen Schnee des Polarkreises die Orientierung zur verlieren. Doch Mika kennt sich aus, mit der sanften Unterstützung von Luftfederung und Offroad-Pro-Technik dirigiert er den GL zügig durch die unendlichen Wälder. Entspannt lehne ich mich ins beheizte Leder zurück, mein Blick wandert nach draußen. Keine Menschenseele ist zu sehen, und ich bezweifle, dass es in der Sprache der Suomi überhaupt ein Wort für Gegenverkehr gibt.


Ich spüre, wie sehr Mika die Ruhe, die Weite und die Einsamkeit dieses Landes liebt, und in diesem Moment wird mir klar, dass seine Schweigsamkeit nichts weiter ist als ein ganz persönlicher Ausdruck stillen, intensiven Genießens.

Unvermittelt rückt die unbesiedelte Natur einen schmalen Waldweg in mein Blickfeld. Spielerisch bewegt Mika das Lenkrad, der GL antwortet mit einem leichtfüßigen Schlenker, und schon fräsen wir uns in eine neue Richtung, entlang einer kaum erkennbaren, tief verschneiten Fahrspur. Wo sie endet, erwartet uns ohrenbetäubendes Gebell.

Die unbändige Kraft eines Rudels wild gewordener Huskies zerrt am Hundeschlitten, endlich wirft Mika die Halteleine los. Für einen flüchtigen Moment sehe ich in ihm den einsamen Wolf, dann ist Mika mit der tobenden Meute im dichten Winterwald verschwunden, den schnellen Schlitten nur mit der Verlagerung seines Körpergewichts dirigierend. Über viele Kilometer folgt das wilde Gespann einem tief verschneiten Waldweg, später knirscht ein zugefrorener Bachlauf unter den Kufen. Wenn es gefährlich schnell wird für den Schlitten, krallen sich per Fußbremse ein paar solide Metallzacken ins Eis, geht es bergauf, springt Mika vom Schlitten und hilft dem Rudel bei der Arbeit. Dieses Wechselspiel von Respekt und Verantwortung, das zwischen dem Schlittenführer und den sensiblen Huskies so selbstverständlich praktiziert wird, lässt ein neues Bild in mir aufsteigen, ich sehe jetzt den anderen Mika, den engagierten Teamplayer, der mit seinen Renn-Ingenieuren und Mechanikern eine verschworene Gemeinschaft bildete. Ein Widerspruch zum einsamen Wolf? Nicht, wenn man stolzer Besitzer einer finnischen Seele ist.

Im nächtlichen Winterwunderland hat es Neuschnee gegeben, doch kaum wird es hell, haben sich die Schneewolken bereits wieder verzogen. Perfekte Bedingungen für einen Ritt auf dem Motorschlitten, lacht Mika, während er den Anhänger mit den beiden Skidoos an seinen GL koppelt. Die 700 NM Drehmoment haben leichtes Spiel mit der schweren Last, die Zivilisation Levis ist schnell hinter uns gelassen, doch vierzig Kilometer und ungezählte Forstwege später scheint unsere Expedition ein abruptes Ende zu finden. Vor uns verliert sich die Spur des schneeverwehten Waldwegs, dahinter beginnt die Unendlichkeit eines riesigen, zugefrorenen Sees. Wollen wir uns wirklich auf das grenzenlose Weiß wagen? Das permanente Allradsystem antwortet mit Ja, eine kurze Schalterdrehung setzt den Federweg der Luftfederung höher, und Sekundenbruchteile später stürmt der GL mit wehenden Schneefahnen einer versteckten Bucht entgegen.


Wenn jemand die absolute, menschenleere Einsamkeit sucht, hier findet er den idealen Platz. Auch Mika kommt regelmäßig hierher, wenn er mit sich und der Welt allein sein will, den Eisbohrer und die kurze Angel stets im Gepäck. Doch das Eisangeln hat er sich für später aufgehoben, jetzt werden erst die starken Motoren der Skidoos zum Leben erweckt.


Kaum sind die Zweitakter warm gelaufen, hat Mika seinen berühmten blau-weißen Integralhelm aufgesetzt und den kleinen, unscheinbaren Gashebel nach vorne gedrückt. Aus dem Stand katapultiert sich sein Motorschlitten auf den weiten, weißen See hinaus, die Beschleunigung ist atemberaubend. Meterhoch stiebt das pudrige Weiß in die eiskalte Luft, um sich schließlich als Vorhang aus Schneekristallen vor meinen Augen herabzusenken. Als die Sicht wieder frei wird, kurvt Mika bereits in artistischer Schräglage dem Horizont entgegen, gebannt verfolge ich das faszinierende Schauspiel, das sein Motorschlitten auf der unberührten Bühne des Neuschnees inszeniert. Schließlich setze auch ich meinen Helm auf, lasse den Motor aufheulen und verliere mich genau wie Mika irgendwo da draußen im grenzenlosen Weiß.


Als wir am frühen Nachmittag müde, aber glücklich zu unserem geländegängigen Basislager zurückkehren, duftet die eiskalte Luft nach harzigem Rauch. Mika holt ein paar Rentierfelle aus dem Laderaum des GL, zieht seine Fellmütze tief über beide Ohren und stapft durch den knietiefen Schnee Richtung Wald. Ich folge seiner Spur, höre finnisch-fröhliche Begrüßungen und mehrstimmiges Lachen, eine schneebedeckte Jurte taucht auf, vor ihr kühlt leise knackend eine Horde Motorschlitten ab, nur wenige Meter davon entfernt haben Mikas Freunde ein wärmendes Feuer entfacht. Hungrige Flammen recken sich hoch zu den frischen, eisgefischten Fischen, die soeben selbst geangelt und nun an geschnitzten Stecken übers Lagerfeuer gehalten, die wabernde Hitze gierig in sich einsaugen. Wir lassen uns auf die mitgebrachten Rentierfelle fallen, Mika reicht mir einen langen, dünnen Ast und seinen Finndolch, wenig später brutzelt auch mein arktischer Schnellimbiss über der heißen Glut.


Seltsam, je tiefer ich in die finnische Seele einzudringen versuche, desto unergründlicher zeigt sie sich mir. Aber vielleicht muss sie genau das sein, unergründlich und endlos weit, wie sonst könnten in ihr die unzähligen Widersprüche Finnlands so wunderbar leicht nebeneinander existieren: Die eisige, nicht enden wollende Polarnacht neben dem Naturspektakel einer Mitternachtssonne, der von Naturgeistern beseelte Schamane neben dem kosmopolitischen Hightech-Unternehmer, die sprichwörtliche Schweigsamkeit der Finnen neben der höchsten Mobilfunkdichte der Welt.


Unbemerkt hat sich Ruhe über die Zeit gelegt, irgendwo in der borealen Ferne zucken ein paar Nordlichter auf. Mika und seine Freunde nippen am Kaffee, schauen in die Glut, so, als würden sie darin etwas sehen, das nur sie sehen können. Die wenigen Worte, die jetzt noch am Lagerfeuer fallen, versinken still im weichen Schnee.

Mit Rennfahrerlegende Hans Herrmann auf den Spuren des Mythos Mille Miglia.

(Kunde: Mercedes-Benz. Agentur: Yellowpeople.)

Kaum baut sich die imposante Kulisse des Passo della Futa vor der Panaroma-Windschutzscheibe auf, ist der Fahrer des 300 SL nicht mehr zu halten. Und obwohl Stoffverdeck und Seitenscheiben Roadster-typisch tief versenkt sind, bleibt dem Copiloten, wie so oft in den vergangenen Stunden, die Luft weg.

Die schmale Paßstrasse wird steiler, eine haarsträubende Spitzkehre fliegt viel zu schnell heran, und in den Bruchteilen der Sekunde, die der Pilot des racing-grünen Lagonda V12 zu früh auf die Bremse steigt, wechselt der agile SL blitzschnell auf die Gegenspur. Der Reihensechszylinder faucht angriffslustig los, das wird knapp, denke ich, sehr knapp sogar. Doch dann packen die Bremsen überraschend energisch zu, und exakt im Scheitelpunkt der tückisch engen Kurve schiebt sich der sportliche Roadster in sanftem Drift vor den wuchtigen Kühler des Lagonda. "No guat, dass 'd midbremmst hosch, sonsch hädda mer's ned gschaffd", zwinkert Hans Herrmann mir zu, als er bemerkt, dass ich beide Beine zitternd ins Bodenblech presse. Und während er mit sensiblem Gasfuß das unruhig gewordene Heck des SL wieder stabilisiert, blitzt in den Augen des Achtzigjährigen für einen ganz kurzen Moment etwas Lausbübisches auf.

 

Auch Peter Pfeiffer und Gorden Wagener demonstrieren, dass sie ihre Lektionen in Querdynamik gelernt haben. Der Fahrstil der beiden Designer zeigt sich zunehmend kompetetiver, und angefeuert von den Forza! Forza!-Rufen der lokalen Polizeistaffeln stürmen die von Adrenalin und Glückshormonen durchfluteten SL-Piloten auf der kurvenreichen Provinzstrasse in Richtung Bologna, als wären die Borduhren soeben um 51 Jahre zurück gestellt worden.

 

Zwei Tage zuvor, es ist Donnerstag, später Vormittag. In den Stunden der technischen Abnahme erscheint ein Bummel durch das pittoreske Zentrum von Brescia wie ein Spaziergang durch verloren geglaubte Erinnerungen, Bilder, Filme. "Die Müßiggänger" und "La Dolce Vita" kommen einem in den Sinn, und man braucht nicht viel Fantasie, um Frederico Fellini und Sophia Loren in ihrem kompressorbetriebenen Achtzylinder durch die Viale Venezia rollen zu sehen.

 

Auch der elegante Klassiker, der sich in diesem Moment in das historisch verklärte Italienbild schiebt, scheint mit einer Zeitmaschine direkt aus dem deutschen Wirtschaftswunder gekommen zu sein. Der blaue Mercedes-Benz 300 SL stammt aus dem Jahr 1961, als Roadster ist er ein legitimer Nachfahre des ersten Sportwagen-Prototyps aus Stuttgart, der die Bezeichnung SL trug.

 

SL. Man muss nur diese beiden Buchstaben nennen, dann schwingen in den Köpfen der Menschen die Flügeltüren nach oben, formt sich über einem filigranen Gitterrohrrahmen das silbermetallische Bild einer Ikone, die zum Inbegriff des reisetauglichen Sportwagens wurde. In zwei, drei Jahren wird es diese Flügeltüren wieder geben, völlig neu interpretiert, und der Mann, der dafür verantwortlich ist, schält sich gerade aus dem ebenso klassischen wie aufregenden Anzug aus Lack, Chrom und Leder, in den ihn der elegante Roadster gekleidet hat.

 

Braungebrannt, groß, muskulös, breites Grinsen, sportlicher Haarschnitt - wüsste man nicht, dass es sich bei dem jugendlich wirkenden Hünen um den Leiter des Bereichs Strategic Advanced Design bei Mercedes-Benz und Nachfolger von Prof. Peter Pfeiffer als Chefdesigner der Daimler AG handelt, man würde unweigerlich das Klischee eines kalifornischen Surfers bemühen. So lässt man es lieber bleiben, erfährt aber später, dass Gorden Wagener nicht nur ein leidenschaftlicher Surfer ist, sondern auch jahrelang in Kalifornien gelebt hat. Soviel zu Klischees.

 

Auch ein entspannter Peter Pfeiffer ist mittlerweile eingetroffen, er lässt den silbergrauen SL 500 aus der aktuellen Baureihe neben seinem historischen Vorbild ausrollen. Obwohl nun einträchtig nebeneinander stehend, ist es erstaunlich, wie diese emotionsgeladene SL-Paarung augenblicklich das gestalterische Spannungsfeld von Tradition und Moderne deutlich macht, in dem sich ein Traditionshersteller wie Mercedes-Benz bewegt. "SL trifft SL, Legende trifft Mythos, genau deswegen sind wir hier", erklärt Peter Pfeiffer. Einen spannenderen und emotionaleren Rahmen als das Renn- und Sportwagen-begeisterte Umfeld der Mille Miglia könnte man sich dafür kaum wünschen.

 

Es gibt Jahre, die kann man nicht zurückholen: Werden sie nicht gelebt, sind sie für immer verloren. Rennfahrerjahre sind solche Jahre. Man lebt sie, wenn man jung mit der Rennerei anfängt und damit aufhört, bevor einem der Tod die Chance nimmt, alt zu werden. Hans Herrmann hat jung angefangen, und er hat rechtzeitig aufgehört: An dem Tag, als er die 24 Stunden von Le Mans gewonnen hat; ein großer Traum, der da in Erfüllung ging, selbst für einen erfolgsverwöhnten Weltklassefahrer wie ihn.

 

Hans Herrmann also wird den dritten Roadster steuern, im steten Fahrer- und Fahrzeugwechsel wird sich der schnelle Schwabe auf eine Reise in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer Ikone begeben, die auf den klangvollen Namen SL hört.

 

Der Start der drei passionierten Mercedes-Fahrer verzögert sich leicht, oben auf der Bühne laufen noch die Kameras. Gerade hat man Hans Herrmann gebeten, eine der unvergessenen Anekdoten zu erzählen, von denen der Mythos der Mille Miglia noch heute zehrt. Zum Beispiel die, wie er sich mit seinem flachen Renner mit Vollgas unter der sich schließenden Bahnschranke hindurch quetschte, die drohende Kollision mit dem heranbrausenden Rom-Mailand-Express nur um Haaresbreite vermeidend. Auf der Mille Miglia von 1954 war das passiert, und der Lohn der Angst: sein erster Klassensieg.

 

Pünktlich um 19.30 Uhr beginnt das Konzert. Oben auf der Startrampe ertönt die erste Auspuff-Fanfare, dann fangen im Minutenabstand 375 feinmechanische Präzisions-Instrumente an zu fauchen, pfeifen, trompeten, rasseln und bollern, und begleitet von den stehenden Ovationen des begeisterten Publikums am Streckenrand startet das große Mille Miglia Orchester zu seiner 1000 Meilen langen Tournee in die italienische Nacht.

 

Fortissimo! Aus achtzylindriger Kehle röhrend betritt ein silberfarbener Mercedes-Benz 300 SLR  die norditalienische Bühne, nimmt die Begeisterungsstürme seiner riesigen Fangemeinde, die seinen noch heute gültigen Streckenrekord von 1955 nie vergessen hat, huldvoll entgegen, um sich dann mit infernalischem Gebrüll auf Desenzano del Garda zu stürzen, an dessen malerischer Hafenpromenade die erste Sonderprüfung auf ihn wartet. Am Steuer Ex-Formel-1-Pilot Mika Häkkinen, wir werden ihn erst morgen im römischen Nachtlager wiedersehen.

 

Auch die drei SL sind jetzt unterwegs, es geht entspannt zu in den Cockpits. Ferrara, das erste Etappenziel, ist nur knappe 180 Kilometer auf den schnellen Landstraßen entfernt, die wie mit einem Lineal gezogen die fruchtbare Ebene der Emilia-Romagna durchschneiden. Es ist noch keine 22 Uhr, da sitzen wir bereits vor einem Teller hausgemachter Linguine con ragù di pesce. In den Gläsern funkelt ein herrlich frischer Sauvignon Blanc aus Südtirol, eine Empfehlung des Patrons, während draußen vor der eleganten Terrasse des Ristorante Max drei SL auf die ersten Haltungsnoten warten.

 

Prüfend wechseln die Blicke zwischen dem modernen SL und seinem historischen Vorbild, analysieren, vergleichen, bewerten. Der 300 SL, da sind sich alle einig, zeigt in seiner Formensprache etwas, was den meisten Automobilen dieser Epoche auf ihrem Weg in die Gegenwart verloren ging: Eine den Zeitgeist überdauernde, klassische Schönheit. Daneben der neue SL, auch bei ihm greifen Bezeichnungen wie modisch und zeitgeistig nicht. Aufregend, aber unaufgeregt transportiert er Dynamik und Präsenz, in seinen glatten Flächen und überspannten Linien lässt sich bereits die Mercedes-typische Langlebigkeit erahnen. Beide SL beweisen, dass die Mercedes-Designer nie einem kurzfristigen Trend gefolgt sind, weder heute noch vor fünfzig Jahren. Ihre Arbeit scheint unabhängig von der Eitelkeit des Zeitgeistes zu sein, und genau deshalb droht sie auch nicht im Strudel immer neuer gestalterischer Belanglosigkeiten zu versinken.

 

Am Morgen des folgenden Tages finden wir die drei offenen SL inmitten eines rasenden Automobil-Museums wieder, das noch heute Nacht Rom erobern will. Die pittoreske Altstadt von San Marino verschwindet bereits wieder in den tief hängenden Wolken, und nur die Erinnerung an das Privileg, über eigens für sie ausgerollte Teppiche in das steile, sonst nur für Fußgänger reservierte Gassengewirr eintauchen zu dürfen, begleitet die Teams auf ihrem Weg nach Assisi.

 

Gorden Wagener, der jüngste des schnellen Trios, fährt eindeutig am Lustbetontesten, ständig lacht, redet, schaltet oder gestikuliert er, unablässig tanzen seine Füße über die Pedale. Auch das Drehzahlniveau des sportlichen Triebwerks liegt signifikant höher als bei seinen Fahrerkollegen, und ganz besonders hoch klettert es in dem Moment, als die engen Schluchten des  Passo del Furlo den SL verschlucken und die raue, melodiöse Vielstimmigkeit seines Sechszylinders vielfach verstärkt in den offenen Roadster zurückwerfen.

 

Offen, das ist ein Wort, das nicht nur den blauen Roadster, sondern auch seinen Fahrer kennzeichnet. Gorden Wagener ist in Essen, also auf Kohle geboren, wie man im Ruhrgebiet sagt, und das darf man durchaus als Kompliment verstehen. Man gilt dann im besten Wortsinn als Kumpel: Offen, ehrlich, direkt und zupackend. Das muss man wissen, wenn man seinen Lebensweg beschreiben will.

 

Eigentlich wollte er Profisurfer werden, da war der fanatische Windsurfer gerade mal achtzehn Jahre alt. Die ersten Surfboards hatte er auch schon designed; seine andere Leidenschaft, die Malerei, hatte ihn dazu inspiriert. Dann stand auf einmal ein gebrauchter Mercedes vor der Tür, ein Geschenk seines Vaters, der sich einen neuen kaufen wollte.

 

Vielleicht hatte es mit der frisch erworbenen automobilen Freiheit zu tun, vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass jeder Mensch früher oder später an einen Punkt kommt, an dem er plötzlich ganz genau weiß, was er wirklich will: Gorden Wagener wollte Autos designen.

 

Als Peter Pfeiffer das junge Designtalent nach Sindelfingen holt, hat er bereits in Essen Industrial Design studiert, sich am Royal College of Art in London auf Transportation Design spezialisiert und ein zweijähriges Gastspiel als Exterieurdesigner bei einem großen deutschen Automobilhersteller absolviert. Und dann folgt der, wie er sagt, beste Job der Designwelt: "Das muss man sich mal vorstellen, ich kam zu Mercedes, und meine erste Aufgabe war, den neuen SLR zu gestalten!" Gorden Wagener schüttelt lachend den Kopf, so, als könne er es noch immer nicht fassen. "Unglaublich, nach 50 Jahren wieder an einem Flügeltürer arbeiten zu dürfen, einer Ikone, das hätte ich sogar zum Nulltarif gemacht." Diesen Satz glaubt man ihm sofort.

 

Nächtelang experimentiert Gorden Wagener mit Flächen, Formen und Linien, entwirft und verwirft, und es ist genau dieses ewige "Nicht-Zufrieden-Sein", was die Avantgardisten unter den Designern antreibt, diese Konsequenz und Konzentration in ihrer Arbeit, die sie schließlich an den Punkt führt, an dem man sagt: Er ist seiner Zeit voraus.

 

Sind Designer Seher? Peter Pfeiffer und Gorden Wagener sind es, müssen es sein. Sie ahnen, spüren die Autos von morgen, versuchen daraus eine Formensprache zu formulieren, eine zunächst verwirrende, vielleicht sogar beunruhigend neue Sprache, eine, die der zukünftige Autokäufer erst in einigen Jahren verstehen wird. Wohin also geht die Reise der Ikone SL? "Ich kann ja jetzt nicht alles verraten, aber im Moment bauen wir eine limitierte Sonderserie des SLR, einen Speedster mit zwei kleinen Windabweisern und zwei Höckern hinter den Sitzen, so wie damals beim alten SLR, mit dem Stirling Moss die Mille Miglia gewonnen hat. Und dass wir gerade einen völlig neuen Flügeltürer entwickeln, ist ja auch kein Geheimnis mehr."

 

Sein Mobiltelefon klingelt wieder, vielleicht ist es ein Anruf vom anderen Ende der Welt, aus Carlsbad, dem neuen Design-Center von Mercedes-Benz, das das zu klein gewordene Studio in Irvine ersetzen wird. Doch Gorden Wagener will sich nicht ablenken lassen, der Ausflug in die Vergangenheit des Sport- und Rennwagenbaus macht ihm viel zu viel Spaß. "Wenn wir unsere Sache gut machen, wird man auf der Mille Miglia des Jahres 2050 der modernen Interpretation unseres SL genauso begeistert zujubeln wie diesem Klassiker hier", sinniert er, "Das wäre wirklich ein Traum." Wer Gorden Wagener kennt, der weiß, diesen Traum wird er sich erfüllen. Vorausgesetzt natürlich, es wird die Mille Miglia in dieser fernen Zukunft noch geben.

 

Doch noch lebt der Mythos, und er duftet nach Benzin, Rennöl, Gummi und antikem Leder. Die ersten vierzig, fünfzig Teams haben Assisi, den Geburtsort des heiligen Franziskus, erreicht. Umhüllt von einer blassblauen Abgaswolke schiebt sich ein wahrer Triumphzug an automobilen Raritäten an der Basilika San Francesco vorbei, jeder einzelne dieser chromblitzenden Boliden ein automobiler Moses, der auf der scheinbar undurchdringlichen Piazza del Comune das Wunder vollbringt, das endlose Meer von ehrfurchtsvollen Mille Miglia Pilgern zu teilen, bevor die Wogen der Begeisterung direkt hinter ihm wieder zusammenschlagen.

 

Es gibt ein paar Sonderprüfungen, die sind nicht im offiziellen Roadbook verzeichnet, und für die Feinschmecker unter den Teilnehmern wartet die härteste in Foligno. Um den Zeitplan einzuhalten, müssen Peter Pfeiffer, Gorden Wagener und Hans Herrmann am Bacco Felice, den als Trattoria getarnten Feinschmeckertempel von Salvatore Denaro, vorbeifahren, ohne auch nur einmal von seinem frischen Panzanella, dem mit Kräutern aufgezogenen Pollo alla diavola oder dem wunderbaren Chianina al Sagrantino kosten zu können, zu dem sein Freund Marco Caprai den passenden Montefalco Rosso Riserva liefert. Gut, dann muss man sich eben nach der Zieldurchfahrt in Brescia ein weiteres Mal auf den Weg nach Umbrien machen.

 

Die Via Flaminia ist eine kapriziöse Weggefährtin, die Fahrt über Urbino, Assisi und Narni ist anstrengend lang, und als die ersten Fahrer spät in der Nacht die große alte Stadt am Tiber erreichen, bleibt gerade noch Zeit für ein kurzes Gespräch an der Hotelbar und die verwunderte Nachfrage, wieso Hans Herrmann so dermaßen schnell und ohne sich auch nur ein einziges Mal zu verfahren zum Hotel finden konnte. Die Antwort kommt schnell, und sie kommt mit typisch schwäbischem Humor: "Mit achtzig sollte man sich in Rom auskennen."

 

Der ganz normale Wahnsinn, der in dieser Form nur in Italien existieren kann, strebt heute seinem Höhepunkt zu. Mit der dritten und letzten Etappe hat die Mille Miglia ihre herausfordernsten Pässe, ihre schweißtreibendsten Kurven, ihre schmalsten Gassen, aber auch ihre schönsten Orte auf das 800 Kilometer lange Programm gesetzt. Radicofani, Pienza, Siena, Florenz, Bologna, Mantua: Die Männer, die sich den Kurs der Mille Miglia ausgedacht haben, hätten auch als Reiseführer Karriere gemacht.

 

Peter Pfeiffer hat in diesem Moment allerdings keinen Blick für die Sehenswürdigkeiten am Straßenrand. Konzentriert pfeilt er den SL 500 den Raticosa hinauf, sucht in den regennassen Rechts-Links-Kombinationen die Ideallinie. Das geschliffene Handling des agilen SL unterstützt die engagierte Fahrweise des Mille Miglia-erfahren Designers, der sich zum Ende des Jahres "in den Unruhestand zurückziehen wird", wie er die kommenden Arbeitsjahre als Professor einer Hochschule für Design und als Vorsitzender des Rates für Formgebung beschreibt. Dicht gefolgt von einem draufgängerischen Hans Herrmann nähert sich der moderne Silberpfeil in hohem Tempo der Passhöhe, auf der eigentlich ein ausgiebiger Fotostopp vereinbart war. Eigentlich. Am Abend wird Peter Pfeiffer dem enttäuschten Fotografenteam den Grund für die unerwartet zügige Durchfahrt erklären: "Ich war absolut sicher, wenn ich jetzt anhalte, fährt mir der Hans hinten rein".

 

Es ist Nacht geworden in Brescia, es regnet in Strömen. Davon lassen sich allerdings weder die Piloten noch die Zuschauer beeindrucken, die auch noch das letzte Fahrzeug, das hinauf auf die Zielrampe röhrt, enthusiastisch bejubeln.

 

Auch die schnellen SL haben ihre ganz eigene Sonderprüfung bestanden; der eine, indem er Sportwagengeschichte geschrieben hat, der andere, indem er demonstriert hat, dass er sie fortschreiben wird. Und das sie so ganz nebenbei ihre Fahrer 1000 Meilen lang fasziniert, emotionalisiert und inspiriert haben, das war nicht anders zu erwarten. So etwas passiert, wenn sich Legende und Mythos treffen.

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